“her yer taksim” (dt. “überall ist taksim”) ist der erste Teil des Slogans
der Gezi-Park Proteste von 2013, die zu einem großen Teil auf dem Taksim-
Platz in Istanbul stattfanden.
Der Platz selbst hat eine vielschichtige Vergangenheit, der Name Taksim
leitet sich von einer ehemaligen Wasserverteilungsanlage ab, es gab dort
schon einen armenischen Friedhof und Anfang des 20. Jahrhunderts
kurzzeitig sogar ein Mahnmal zur Erinnerung an den Völkermord an den
Armeniern, was aber unter ungeklärten Umständen verschwand.
Heute erinnert das „Denkmal der Republik“ sichtbar an die Gründung
der Türkischen Republik 1923; dass der Platz seit jeher Demonstrationsort
türkischer Gewerkschaften, linker Parteien und Jugendbewegungen Istanbuls,
sowie Schauplatz des Taksim-Massakers 1977 und der Gezi-Proteste von 2013
war, bleibt dem Blick jedoch verborgen.
Im Sommer 2014 verbrachte ich mehrere Tage damit, immer wieder im Kreis
um den Platz zu gehen und währenddessen Portraits von Menschen
aufzunehmen; nur aus der Hand heraus, um eine Wirkung von ungestörtem
Moment und geteilter Erfahrung zu erzeugen. Dieses Verwischen der Grenze
zwischen Künstler und Teilnehmer, Beobachter und Beobachteten, bringt aber
auch, während die Zeit durch den Auslöser immer wieder angehalten wird, ein
Element von Unvorhersehbarkeit und Verletzlichkeit mit sich.
Der Platz selbst bleibt dabei nur Hintergrund dieses zyklischen Motivs, das
dazu einlädt, das Verhältnis zu Bekanntem und Vertrautem immer wieder neu
zu bestimmen.